Es beginnt mit Knalleffekt. In einer heftigen Straßenschießerei wird eine Mutter unter den Augen ihres kleinen Jungen niedergeschossen. Als junger Mann ist er mittendrin zwischen Bandenkrieg und Music-Hall im Chicago von 1930. Was der Ballettchef des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München als Neugierde weckende Handlung etabliert, verliert sich aber in schlaglichtartige Szenen von unterschiedlicher Idee zu variierender Musik.

Chicago 1930 Ballett Staatstheater am Gärtnerplatz
Auch die anspruchsvollen Musiknummern, im ersten Teil des Balletts auch nur von einem kleinen Teil des Orchesters mit hervorstechender Rhythmusgruppe gespielt, stehen eher für sich allein, als den Abend etwas Ganzes, Überspannendes zu geben, was ich aber bei solch einem Thema und diesem Anfang erwartete. Das die Musik eher nur als Projektionsfläche und Begleitung gesehen wird, ist dadurch erkennbar, dass die Bewegungen weiter fließen, auch wenn das Musikstück sanft ausgeklungen ist. Andreas Kowalewitz bringt aber viel vom jazzigen Lebensgefühl zum Erklingen.

Chicago 1930 Ballett Staatstheater am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane
Karl Alfred Schreiner setzt auf eine Körpersprache der sich windenden und schlängelnden Verdrehungen, was seine zehn Frauen und Männer virtuos umsetzen können. Mir fehlen da dann in der Aufführung die sportlichen, akrobatischen Teile des Tanzes. Auch immer wieder neu überraschen konnte das Ballett „Chicago 1930“ nicht, wobei die Girls in der Music-Hall schon viel Show ins Spiel brachten. Natürlich haben sowohl Massenszenen wie auch intime Momente große Ausstrahlungskraft, doch schon die Konzeption der Verfolgungsjagd hat eher etwas Verspieltes als Erzählendes.
Rifail Ajdarpasics Bühnenbild gibt fast eine Seitengasse einer Straße wieder, Ziegelsteinmauerwerk-Häuser mit Fenstern und Türen. Hinten in der Mitte kann sich eine Bar eindrehen. Das besondere sollten die Aufprojektionen sein, die entweder nur in die Fensterflächen Farben und Schatten zaubern oder das Mauerwerk quasi überblenden können. Doch so richtig wird das erst im zweiten Teil gemacht. Ich hätte da gerne viel mehr von diesen Ideen gesehen.
Kostümbildner Alfred Mayerhofer schuf Figuren erzählende Kostüme in eher gedeckten Farben und Tönen – zum Glück nicht Ballettschläppchen, aber eben auch ganz ohne Schuhe auf der Bühnenstraße. Auffallend waren da öfters die langen Haare der auch voll bebärteten Männer – manche auch nur mit zartem Strich von Oberlippenbart.
Trotz der Ambitionen um einen jungen Mann auf der Suche nach seinem Platz im Mafia gesteuerten „Chicago 1930“ fehlt Klarheit, etwas Erotik und das konsequent Berührende.
Chicago 1930 Ballett Staatstheater am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane
Chicago 1930 Ballett Staatstheater am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane
Chicago 1930 Ballett Staatstheater am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane
Chicago 1930 Ballett Staatstheater am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane
Chicago 1930 Ballett Staatstheater am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane
Bilder vom Staatstheater am Gärtnerplatz zur freien Verfügung gestellt, Copyright: © Marie-Laure Briane
Chicago 1930
Ballett in einem Prolog und zwei Teilen von Karl Alfred Schreiner
mit Musik von Irving Kahal, Paul Abraham, George Gershwin, Nick LaRocca, Heitor Villa-Lobos, Duke Ellington, Vince Giordano, George Antheil, Michael Nyman, Béla Bártok, Dmitri Schostakowitsch, Paul Hindemith und Samuel Barber
Uraufführung am 21. Juli 2016 durch das Staatstheater am Gärtnerplatz im Cuvilliéstheater, München
Regie & Choreographie: Karl Alfred Schreiner | Musikalische Leitung: Andreas Kowalewitz | Choreographische Mitarbeit: Bärbl Kaufer & Marcus Koch | Karl Alfred Schreiner | Bühnenbild: Rifail Ajdarpasic | Kostüme: Alfred Mayerhofer | Projektionen: Raphael Kurig & Thomas Mahnecke | Lichtdesign: Jakob Bogensperger | Dramaturgie: Daniel C. Schindler
Ensemble; (Luigi): Alfonso Fernández | Luigi; Ensemble: Giovanni Insaudo | Ensemble; (Maria; Luigis Mutter): Anna Calvo | Maria; Luigis Mutter; Ensemble: Ariella Casu | Marias Vater; Ensemble; (2. Polizist): Matteo Carvone | 1. Polizist; Ensemble; (Marias Vater): Javier Ubell | Geist des Vaters; Ensemble: Isabella Pirondi | Hot Officer; Ensemble; (Geist des Vaters): Sandra Salietti | Der Don; Ensemble: Alessio Attanasio | Der Ire, die rechte Hand des Don; Ensemble: Neel Jansen | Der Priester; 3. Polizist; Ensemble: Russell Lepley | Der Mann mit dem Hut; Ensemble: Davide Di Giovanni | 2. Polizist; Ensemble. Roberta Pisu | Ensemble: Passant;Bar-Gast;Mafioso; Trauergemeinde: Francesco Annarumma | Ensemble: Passant;Bar-Gast;Mafioso; Trauergemeinde: Rita Barão | Ensemble: Passant;Bar-Gast;Mafioso; Trauergemeinde: Amelie Lambrichts | Ensemble: Passant;Bar-Gast;Mafioso; Trauergemeinde: Verónica Segovia | Ensemble: Passant;Bar-Gast;Mafioso; Trauergemeinde: Vanessa Shield | Ensemble: Passant;Bar-Gast;Mafioso; Trauergemeinde: David Valencia | Ensemble: Passant;Bar-Gast;Mafioso; Trauergemeinde: Lieke Vanbiervliet

Chicago 1930 Ballett Staatstheater am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane
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