Wie leider vorherzusehen war, scheitert die Berlin-Pankower Atlanta Stage Company mit der Neuinszenierung von „Der Zauberer von Oss“ (hier modern englisch mit „Oz“ bezeichnet). Denn das Stück ist extremstens komplex und aufwändig. Doch wissen Produzent Bernd A. Zille und Regisseurin Sabine Laubersheimer eigentlich, was sie tun? Die Vorgängerproduktionen „Mary Poppins“ 2012 und „Frohe Weihnacht, Mr. Scrooge“ 2014 habe ich nicht gesehen – einige Darsteller waren schon damals dabei. Wie das wohl war?
Immerhin gab es für mich erstaunliche Lichtblicke in einem als desaströs zu bezeichnenden Theaterabend. Denn viele Soloszenen und Lieder gelangen, waren spannend und berührend. Aber nicht alle! Tatjana Roth ist für mich als Dorothy eine Entdeckung des Abends, die zu singen, spielen und glänzen verstand. Mona Roth rettet sich mit Facetten reichem Spiel nach vorne als gefährliche Westhexe. Maximilian Hintz und Dawid Adler wissen noch als Blechmann und Löwe zu gefallen. Miriam Sauter gibt eine passent fidele Gender-Vogelscheuche, was unweigerlich unnötige unbeantwortete Fragen aufwirft. („Könnt ich deiner Wert sein?“).
Der Rest ist Schweigen, besonders die dauerlächelnde gute Hexe Glinda (Chiara Caforio) sowie Chef Bernd A. Zille als uninteressanter Professor Marvel und Schattenzauberer. Dazu gibt es noch einen nervig ablenkenden echten Hund (samt sichtbarer Trainerin), ein junges 15köpfiges Ensemble und fünf Kinder. Bestimmt auch anstrengend für die letzteren, denn der Abend dauert quälend lange dreieinhalb Stunden von 20 Uhr bis 23.30 Uhr! Kaum Striche und ewig lange Übergänge – dies in der Hand zu haben, gehört eben auch zum Inszenieren dazu.
Fast schon zum Ensemble zählen kann man die in schwarzer Kleidung sichtbaren (oder als ärgerliche Schatten auftauchenden) Bühnenarbeiter, die die viel zu vielen, meist dreifachen Kulissenteile per Hand immer hinein und hinaus tragen müssen – während im hellen Licht noch die Szene läuft oder die nächste schon angefangen hat. Mir taten sie leid. Die Kulissen sind dann oft zweidimensional bedruckte Flächen, die dann wie ein offenes Buch geklappt und aufgestellt sind. Gute Idee in katastrophaler Ausführung.
Eigentlich sollte eine Rückprojektion das Bühnenbild hauptsächlich sein, doch der Beamer ist zu schwach gegenüber dem normal hellen Bühnenlicht, die Animation ist uninteressant, perspektivisch falsch, das Bild ruckelt, Einblendungen kommen zu spät etc.
Der Ton verstärkt per Microport, wenn nicht der falsche Kanal offen ist. Die Kostüme extrem zahlreich, teilweise aufwändig und die Geschichte erzählend. Die vielen Choreographien bewegen und beleben die Szene, zünden wenn dann viel zu spät. Alle namenlos, da die Produktion nicht einmal einen Aushang anfertigen konnte.
Immerhin gibt es ein kleines Liveorchester unter der Leitung von Adrian Rinck, der momentan das nächste Musical für die Gruppe, „Der Graf von Monte Christo“, vertont. Zunächst viel zu sehr nur begleitend und zum Mitklatschen animierend, blitzen doch zum Ende Momente von musikalischer Spannung auf. Besonders als mühsam die Smaragdstadtwand zusammen geschoben wird und eine Jazzimprovisation als Überleitung zu hören ist.
Das Musical erlebte auf genau denselben Bühnenbrettern seine deutschsprachige Erstaufführung (Deutsch: Klaus Eidam) am 26.09.1992 im damaligen Metropol-Theater Berlin und war mehrere Jahre dort zu sehen. Das Musical ist momentan sehr beliebt (jährlich mindestens drei Neuinszenierungen und Wiederaufnahmen). Das diese Amateurproduktion sich an dem Stück so amateurhaft verhoben hat, ist mehr als ärgerlich. Besonders bei Eintrittspreisen von bis zu Euro 65,- in den ersten Reihen!
Am 1. Februar 2016 starten die Macher mit ihren Unterfirmen wie „Lunadream Musical Ensemble“ und „razzoPENuto“ mit dem Atlanta Stage Seminar, um ausdrücklich die Bezeichnung private Musicalschule zu vermeiden. Monatlich Euro 130,- bzw. gesamt neun Monate für Euro 1170,-.
Doch das Scheitern der Aufführung hatte das Publikum ja erst NACH dem Kartenkauf gemerkt, wo das Geld schon verloren war – Hinter dem Regenbogen …
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