Happy End-lich in Berlin

Endlich gibt es in Berlin wieder dieses sperrige Spiel „Happy End“ von Kurt Weill, Bertolt Brecht und Dorothy Lane [d.i. Elisabeth Hauptmann]. Extrem viele sehr bekannte Lieder plus zu Sprichwörtern avancierte Kraftaussagen sind zu entdecken. Der BE-erfahrene Sebastian Sommer erzählt mit starker Personenführung eines großartigen Elferensembles, eindrucksvollen Bildern mit vielen Details und Doubletakes. „Happy End“ bleibt im doppelten Sinne schwierig, aber die beiden Hauptdarsteller sind herausragend: Sophia Euskirchen als (un)schuldige Heilsarmeesängerin Lilian Holiday und Gabriel Schneider als Ballhausgangster Bill Cracker sind schlicht Daphne-Preis verdächtig. Vor ihnen spielt das auch anderweitig mitwirkende siebener Miniorchester unter der Leitung von Harry Ermer – mit hervorragenden Instrumentalisten. Die Darsteller spielen in einer drehbaren, weißen Zimmerbox von Alexander Grüner und Philip Rubner. Symbolische, farbige, dafür aber teils sehr individuelle Kostüme von Wicke Naujoks und Ariane Warns zusammen mit der klaren wie auch bunten Flächen in der Lichtgestaltung machen die Aufführung reich an – nicht nur visuellen – Eindrücken.
Trumpfte die „Happy End“-Hochschulproduktion 1998 mit einem legendär werdenden 15er Ensemble unter der Leitung von Angelica Domröse auf, doch es ist inzwischen schon lange Vergangenheit. Dem von Guntbert Warns so hervorragend zusammengestellten 11er Spielensemble sind viele viele Vorstellungen und großes Publikumsinteresse zu wünschen. Sie allein verdienen unbedingt einen Besuch. Quasi nebenbei gibt es das seltene Werk „Happy End“ zu erleben, was handwerklich überzeugend, frisch und intensiv gespielt zu entdecken gilt.

Happy End
Komposition: Kurt Weill | Gesangstexte: Bertolt Brecht | Buch: Dorothy Lane

Premiere am 13. Mai 2022 im Renaissance-Theater, Berlin

Regie: Sebastian Sommer | Musikalische Leitung: Harry Ermer | Bühnenbild: Alexander Grüner & Philip Rubner | Kostüme: Wicke Naujoks & Ariane Warns | Produzent: Guntbert Warns
Lilian Holiday: Sophia Euskirchen | Bill Cracker: Gabriel Schneider | Dame in Grau; Die Fliege: Jacqueline Macaulay | Major der Heilsarmee; Frederik Jackson: Klaus Christian Schreiber | Jane; Bob Merker: Noëlle Haeseling | Sam Worlitzer: Felix Lüke | Jimmy Dexter: Martin Schneider | Johnny Flint: Moritz Carl Winklmayr | Touristin; Kommissarin; Mary: Johanna Asch | Tourist; Kommissar; Leutnant der Heilsarmee: Lennart Preining | Governor; Leutnant der Heilsarmee: Daniel Warland | Musiker: Semjon Barlas, Karola Elßner, Johannes Gehlmann, Stephan Genze, Roland Schmitt, Otwin Zipp, Harry Ermer

meine Fotos der Produktion sind hier im Blog zu finden

64 Fotos vom Happy End

„An die Gewehre, Seele in Not!“ – Lilian Holiday, idealistischer Shooting-Star der örtlichen Abordnung der Heilsarmee, trifft auf Bill Cracker, rücksichtsloser Mann der Tat und Gangster-Boss. Die ehrgeizige Mission, Cracker gegen alle seine Überzeugungen und Widerstände zu missionieren, führt Miss Holiday letztendlich zu einem Gefecht, bei dem ihr eigenes Seelenheit existeniell auf dem Spiel steht. Wessen Seele dabei gerettet wird und wie, zeigt sich „happyendlich“ zum Finale der quicklebendigen Komödie mit Musik.

Elisabeth Hauptmann, langjährige Mitarbeiterin Brechts, schrieb das Textbuch zu diesem Melodram, Kurt Weill und Bertolt Brecht sorgten für die Musik und die Songtexte – im Kern das schöpferische Team, das nach der DREIGROSCHENOPER ein weiteres Schauspiel in der Stimmung und im Duktus des vorangegangenen Welterfolgs realisierte. Mit der DREIGROSCHENOPER von 1928 und der Oper AUFSTIEG UND FALL DER STADT MAHAGONNY von 1930 kam HAPPY END 1929 als der Mittelteil einer Trilogie der drei großen Gemeinschaftsarbeiten der Werkstatt Brecht/Weill auf die Bühne. Viele Songs des Schauspiels sind seit der Uraufführung fester Bestandteil des Konzertrepertoires: „Bills Ballhaus in Bilbao“, „Surabaya Johnny“, der „Matrosen-Tango“ — und stehen beispielhaft sowohl für den herausragenden Lyriker Brecht als auch für das musikalische Genie Kurt Weills.

»Happy End«
Musik von Kurt Weill, Songtexte von Bertolt Brecht, Buch von Elisabeth Hauptmann
Premiere am 13.5.2022 im Renaissance-Theater Berlin
Inszenierung: Sebastian Sommer | Musikalische Leitung: Harry Ermer | Bühne: Philip Rubner & Alexander Grüner | Kostüme: Wicke Naujoks & Ariane Warns
mit Sophia Euskirchen, Gabriel Schneider, Jacqueline Macaulay, Klaus Christian Schreiber, Noëlle Haeseling, Felix Lüke, Martin Schneider, Moritz Carl Winklmayr, Johanna Asch, Lennart Preining, Daniel Warland
Musik: Harry Ermer, Semjon Barlas, Karola Elßner, Johannes Gehlmann, Stephan Genze, Roland Schmitt, Otwin Zipp

Pressetext vom Theater, Fotos © Frank Wesner