Uraufführung „Grimm!“ an der Oper Graz am 7. Dezember 2014

Grimm! oder die wahre Wirklichkeit knallhart

Das Auftragswerk an das AutorGrimm_Die_wahre_Geschichte_von_Rotkappchen_und_ihrem_Wolf_2014_Graz_Next_Liberty_-_Logoenduo Zaufke/Lund enthüllt nicht nur die wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf. In „Grimm!“ erfahren die großen und kleinen Zuschauer, wie die Märchen erfunden werden und dabei gilt: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann LÜGEN sie noch heute.“

Die Märchenadaption über das Zusammenleben in der Bauernhofdemokratie gegenüber den Freigeistern im Wald erweist sich als hochmoralische Rundumabrechnung mit unserer scheinheiligen, mutlosen Gesellschaft. Die Texte werden beinahe zu politischem Kabarett. Aber immer noch so, dass die Kinder ihren Spaß und die Botschaften verstehen. Aber ob die Erwachsenen mitkommen? Ich befürchte fast, dass die Erziehenden die Themen wie Zusammenleben mit anderen, sinnfreies Ausgrenzen, zwischen den Zeilen lesen, Zivilcourage … gar nicht entschlüsseln.

Eingepackt ist die verwirrende, mit Erwartungshaltungen spielende Handlung in verschachtelte Rahmenhandlungen nach dem Motto: „Es war einmal“. Dazu gibt es viele tanzbare Melodien, die in große Tanznummern mit Tango oder auch Walzer gipfeln. Broadway pur – inklusive Jazz-Hände.

Regisseur Helge Stradner gelingt eine flotte Inszenierung mit viel Spaß für groß und klein – da helfen die unterschiedlichen Bewegungsmuster der menschlichen Tiere besonders. Benjamin Rufin formt das zu großen Tanznummern, wo aber gerade zu den beiden Beginnen aber irgendwie die Autoren nichts wirkliches vorgesehen haben. Musikalisch von einer 6er Band begleitet aus dem verkleinerten Orchestergraben (Leitung: Maurizio Nobili).

Vor allem für Rotkäppchen, die lieber mit Dorothea angesprochen werden möchte und wird, ist das Spiel ein Starvehikel. Aber eben auch durch Sigrid Spörks überragenden Einsatz als freches Mädchen, was neugierig ist und etwas verändern möchte.

Und immer die Frage, wer denn gut oder böse ist. Denn der junge Wolf mit Namen Grimm gehört definitiv zu den Guten. Christof Messner gestaltet ihn mit vielen Facetten, was spannend und berührend ist. Jutta Panzenböck spielt so wunderbar unterschiedlich ihre zwei Rollen als alleinerziehend überforderte Gisela Geiß und als coole Großmutter Eule. Wunderbar vielschichtig auch Florian Stanek als verschmitzter Hund Rex, der junge Jäger und Sohn von Sultan.Grimm_Die_wahre_Geschichte_von_Rotkappchen_und_ihrem_Wolf_2014_Graz_Next_Liberty_-_ausen_c_Frank_Wesner_

Eleftherios-Vinzenz Chladt spielt sowohl ein verwirrtes Hausschwein wie auch ein verliebtes Wildschwein, in das sich ausgerechnet Schweinchen Dicklinde (Alisca Baumann) glaubhaft verguckt hat. Beide lernen für ihre Liebe zu kämpfen. János Mischuretz gibt das Schlauberger-Schweinchen, der mit Wissen Macht an sich reißt, was die anderen gar nicht recht durchschauen (wollen). Franz Gollner spielt mit viel Körperlichkeit den alten Hofhund Sultan, dem so manche Zivilcourage abhanden gekommen ist/war. Und dann muss er sich doch noch seiner unaufgearbeiteten Vergangenheit stellen… Die Geißlein kommen von der Grazer Singschul. Keine der Figuren verrät auch nur ansatzweise seine – teilweise dunklen – Geheimnisse zu früh. So müssen in einem Märchenmusical alle Figuren wieder neu lernen, miteinander friedlich zusammenzuleben. „Kind, du willst ein Happy End? Aber das hier ist die Realität!“

Eine Art von Kabarettmusical voller Wortwitz und Gesellschaftskritik mit vielen unterschiedlichen Tanzrhythmen. Märchen neu erzählt – vor jeweils mehr als 1000 Zuschauern pro Vorstellung in Graz. Die deutsche Erstaufführung am 19. März 2015 an der Neuköllner Oper Berlin mit den Musicalstudenten der Universität der Künste in der Regie von Autor Peter Lund ist schon bald eine andere wahre Wirklichkeit.

(c) Frank Wesner

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